Die X-Pro3 – als sich Leica & Fuji plötzlich die Hand gaben
Das Thema Leica gegen Fuji scheint in den letzten Jahren immer mehr Fahrt aufgenommen zu haben. Besonders seit Erscheinen der ersten X100 tummeln sich bei YouTube & Co. unzählige Berichte darüber warum die Fuji eine Art „Leica-Ersatz“ sein sollte könnte. Wenn man sich aber lange genug mit dem Thema auseinandersetzt und irgendwie dieses „Ich will eine Leica haben“ in sich trägt wird man am Ende dieser Berichte immer genug Argumente gegen eine Fuji und FÜR eine Leica zusammen bekommen.
Sprechen die einen vom Leica-Look – also die unnachahmlich Art und Weise wie die Schärfeverläufe und die Farben ( besonders die einer M9 ) dargestellt werden – so sprechen andere nur davon wie unfassbar teuer das alles ist und das das ja alles so überhaupt keinen Sinn ergibt.
Für die einen ist es ein Türöffner ( so sagt u.a. Paul Ripke das man mit dieser Kamera ganz anders wahrgenommen wird und Bilder machen kann, die einem ansonsten verwährt bleiben würden ) und für die anderen ist das alles nur esoterisches Bla-Bla das die irren Anschaffungskosten rechtfertigen soll.
Ich glaube, dass es hier keine richtige Wahrheit gibt. Es fahren ja auch Leute Jeep und glauben so das ultimative Adventure-Feeling spüren zu können wenn sie zum Supermarkt fahren und andere fahren nen Dacia Duster, der zwar irgendwie wie ein Jeep sein will aber trotzdem keiner ist. Ob sich der Dacia Fahrer aber wirklich weniger frei auf der Straße fühlt wage ich zu bezweifeln.
So fing alles bei mir an mit Leica
Nun hatte ich mir vor rund 2 Jahren eine Leica M9 samt 28mm-Linse gekauft ( ich berichtete ). Heute sage ich gerne, dass ich sie mir gekauft habe weil ich einfach mitreden wollte. Hatte ich damals schon Fuji, konnte ich mit dem Vergleich Fuji vs. Leica nicht viel anfangen. Es war eine aufregende Sache, als die M9 dann bei mir zu Hause eintraf. Heute glaube ich, dass das weniger mit der Kamera als solche zu tun hat sondern vielmehr mit den Geschichten die sich um sie ranken.
Viele Leica-User sprechen wie Verliebte von ihrer Kamera und darüber, was die Kamera mit ihnen angestellt hat. Sie berichten von Entschleunigung und darüber, dass sie mit mehr Bedacht ein Foto aufnehmen.
Nach der M9 wechselte ich auf eine M240 ohne wirklich zu wissen warum. Heute weiß ich es: Meine Art zu fotografieren passt nicht zur Mechanik einer M9. Ich drücke mehrmals ab um den perfekten Moment zu erwischen. Die Entschleunigung von der ich mir so viel versprach brachte mir keinen Gewinn. Daher die schnellere M240. Und dann war ich plötzlich auch nicht zufrieden ! Es war nämlich genau das passiert was ich vermutete: Vom Zauber der Leica-Fotografie blieb wenig übrig als ich sie selber hatte. Natürlich ist das Fotografieren mit einer Leica nicht zu vergleichen, aber – und das ist der Kernpunkt: Sie MUSS zu dir und deiner Art zu fotografieren passen. Wenn du wirklich WIRKLICH anders fotografieren willst dann musst du das auch wirklich wollen und dir nicht nur eine Leica kaufen, weil du halt eine haben willst ohne richtig zu wissen warum.
Ich denke da immer an Peter Lindbergh der mit seiner D800 im Dauerfeuer-Modus fotografiert hat um diesen EINEN „Moment in dem man alles erfassen kann“ zu erwischen. Ob er mit einer Leica bei seiner Arbeitsweise glücklich geworden wäre ?
Als ich die M240 hatte fing ich wieder an übers Display zu fotografieren und das war so der Anfang vom Ende. Ich kam nicht gegen MEINE Art zu fotografieren an ( vielleicht wollte ich auch garnicht ). Ich kam mit immer mehr Bildern von Fototouren nach Hause und begann darüber nachzudenken, warum ich eine Leica haben wollte.
Tja, und da war mein Denkfehler. Ich habe mich von bekannten Leica-Fotografen „inspirieren“ lassen ohne dabei über mich selbst nachzudenken und darüber was mir eine Leica am Ende wirklich bringt ? Mehr Kreativität , mehr „Weniger“. Aber warum das alles ? Weil ich gelangweilt war von meiner Fotografie ? Ich glaube, dass eine neue Kamera schon einen gewissen Aufschwung geben kann, wenn man gerad mal in einem kreativen Loch hängt – aber das hält auch nicht ewig vor.
Es ist wie mit Musikinstrumenten. Du wirst kein besserer Musiker mit einem teuren Instrument, aber es beflügelt dich – zumindest eine Zeit lang. Aber dann muss deine natürliche Kreativität wieder einsetzen, denn sonst verfällst du am Ende in einen Kaufen/Verkaufen-Rausch der am Ende nur leere Taschen hinterlässt.
Und plötzlich war da wieder das Leica-Fieber
Dann kam es wie es kommen musste. Ich unterhielt mich mit einem befreundeten Fotografen und über seine Sehnsucht zu Leica , ein paar Blogposts und Podcasts später und ZACK war es wieder da: Dieses „Hach ja, das wär schon nochmal was – ne Leica“ – und wieder: ohne konkrete Argumente „Warum eigentlich?“
Finanziell hatte ich mich gerade ein bisschen von der Pandemie erholt und auch eine meiner Fujis verkauft und der Entschluss nochmals ne M240 zu kaufen war so konkret wie nur was. Nach einem langen Gespräch mit einem M240-Besitzer kamen aber plötzlich obige Gedanken auf und ich fragte mich, was das alles eigentlich sollte.
Ich verwarf den tollkühnen Plan mit der M240 und dachte mal ein paar Tage nach.
Ja, ich wollte Entschleunigung – ich wollte sie aber nicht um jeden Preis. Ich wollte das Gefühl des richtigen manuellen Scharfstellens über einen Sucher. Ich wollte auch das Design. Aber ich wollte nicht ein kleines Vermögen für einen Kasten ausgeben, der digitale Fotos produziert und mich vielleicht nicht lange genug inspiriert. Ich war in einer Sackgasse.
Und plötzlich war da wieder Fuji
Und dann fand ich bei YouTube dieses nette Video und plötzlich war alles ganze einfach. Die Argumente gegen eine Leica die dort angesprochen wurden waren für mich viel näher an meinem eigenen Erleben als die Argumente FÜR eine Leica.
Da sprachen die Beiden u.a über die Fuji X-Pro3 die ich mir seit ihrem Erscheinen nicht mal genau angesehen hatte. Dann kam noch der liebe Patrick mit seinem Xpro3 Test um die Ecke und da war es um mich geschehen.
Und es fühlte sich nicht wie ein Ersatz an. Für mich war einer der Gründe das rückwärtige Display über das man nicht mehr einfach so mal einen Blick aufs Bild werfen kann. Man muss es aufklappen, umklappen – ne, das ist mir viel zu mühselig. Also bleibt es zugeklappt. ABER: Ich könnte wenn ich wollte.
Ich kaufte mir ein lächerliches ( in den Augen der meisten Profis wahrscheinlich ) Objektiv schraubte es an die X-Pro3 und der Zauber begann. Die Filmsimulation „Classic Negativ“ ist so unfassbar gut, dass ich bisher nur noch Jpegs fotografiert habe. Ich habe aber gleichzeitig das Gefühl, ich würde irgendwie anders fotografieren. Und das muss man nicht mal genau analysieren. Wie Paul Ripke schon sagte: Wenn du die Kamera gern in die Hand nimmst kommt ein besseres Foto am Ende raus. Scheißegal ob Leica, Sony, Nikon…
Ich bekomme mit dem Objektiv gewollte leichte Unschärfe ins Bild und so einen kleinen Analog-Look der von der Filmsimulation nochmal begünstigt wird.
UND: Ich kann wenn ich will auch komplett anders ( nennen wir es den Hochzeitsfotografen-Modus ) fotografieren. Das Beste aus beiden Welten, wenn man so will.
Für mich ist eine Leica M10 und/oder alles was danach noch kommen wird nicht mehr das was ich mit Leica verbinde. Das mag altmodisch und engstirnig klingen aber eine M die quasi alle Merkmale einer Sony oder Fuji , oder…. hat und dann nur noch versucht über den Mess-Sucher zu punkten kann bei mir zumindest nicht mehr punkten. Zu viel von allem – vielleicht wird es in naher Zukunft auch ne M mit Autofokus geben. Es wäre schön wenn die M-Serie da zumindest ein Nischenprodukt bleibt aber die Entschleunigung die eine M8 oder M9 bietet ist meiner Meinung nach verloren gegangen.
Am Ende steht die Erkenntnis, dass es tatsächlich DIE Kamera für dich da draußen gibt. Wenn sie zu dir passt. Sie muss dich nicht verändern, sie sollte dich inspirieren aber dich nicht komplett verdrehen damit du deine Arbeits- und Denkweise der Kamera unterordnest.
Wenn du deine Sony gerne in die Hand nimmst, dann wird dir eine Leica außer einer Erfahrung nichts bringen. Wenn du aber so wie ich oder viele andere davon träumst eine Leica zu haben, steig klein ein mit einer M9 und schau ob der Zauber bleibt oder vorüberzieht. Wenn du sie nicht mehr weglegen kannst ( nicht weil es eine Leica ist sonder weil du sie brauchst ) dann ist es deine Kamera.
Ich wünsche dir viel Spaß auf dieser Reise. Sie kann viel Inspiration bringen die über die reine Fotografie hinaus geht.
Alles Gute.
Alle folgenden Bilder wurden mit der X-Pro3 und dem Zonlai 22 1.8 aufgenommen.